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Soll- und Ist-Versteuerung

Die Unterscheidung zwischen Soll- und Ist-Versteuerung stammt aus dem Umsatzsteuergesetz. Im Kern geht es um die Frage wann die Umsatzsteuer „entsteht“. Und damit auch: Wann die eingenommene Umsatzsteuer an das zuständige Finanzamt abzuführen ist.

Was ist der Unterschied zwischen Soll- und Ist-Versteuerung?

Höhe und Zeitpunkt der Umsatzsteuerzahlungen ergeben sich aus dem Zeitpunkt der Leistungserbringung oder der Zahlung:

  • Standard-Berechnungsverfahren ist die Soll-Versteuerung. Das ist in § 16 UStG festgelegt. Die Soll-Versteuerung bezeichnet man auch als Berechnung der Umsatzsteuer „nach vereinbarten Entgelten“. Bei der Soll-Versteuerung entsteht die Umsatzsteuer gemäß § 13 UStG Abs. 1 Nr. 1a im Voranmeldungszeitraum, in dem der Unternehmer die Leistung erbringt.
    Wann die Rechnung an den Kunden gestellt oder bezahlt wird, interessiert den Staat nicht. Es sei denn, dass Kunden ihre Rechnungen bezahlen, bevor die Leistung erbracht ist. In dem Fall ist der Umsatzsteuer-Anteil auch bei der Soll-Versteuerung im Voranmeldezeitraum der Zahlung fällig.
  • Das alternative Berechnungsverfahren nennt sich Ist-Versteuerung. Unter bestimmten Voraussetzungen dürfen Freiberufler und kleine Unternehmen ihre Umsatzsteuereinnahmen „nach vereinnahmten Entgelten“ berechnen. Die Bedingungen der Ist-Versteuerung sind in § 20 UStG geregelt. Bei der Ist-Versteuerung entsteht die Umsatzsteuer gemäß § 13 UStG Abs. 1 Nr. 1b erst in dem Voranmeldungszeitraum, in dem der Kunde zahlt.

Für umsatzsteuerliche Kleinunternehmer ist der Unterscheid zwischen Soll- und Ist-Versteuerung unerheblich. Selbstständige und Kleingewerbetreibende mit Jahresumsätzen von bis zu 17.500 Euro müssen ihren Kunden keine Umsatzsteuer in Rechnung stellen. Im Gegenzug dürfen sie keine Vorsteuer geltend machen. Umsatzsteuervoranmeldungen können sie sich ganz sparen.

Soll-Versteuerung: Der Leistungszeitpunkt entscheidet

Bei der Versteuerung nach vereinbarten Entgelten „entsteht“ die Umsatzsteuer in dem Monat, in dem die steuerpflichtige Leistung erbracht wurde. Ob der Unternehmer bereits eine Rechnung geschrieben hat, spielt rechtlich keine Rolle. In der Praxis entsteht die Umsatzsteuer aber spätestens mit dem Ausstellen der Rechnung:

  • Im Voranmeldezeitraum der Rechnungsstellung (Monat oder Quartal) muss der Rechnungsaussteller den Umsatzsteueranteil ans Finanzamt melden.
  • Ob der Kunde die Rechnung bereits bezahlt hat, interessiert das Finanzamt nicht. Der Umsatzsteueranteil muss auf jeden Fall ans Finanzamt überwiesen werden!
  • Erst wenn der Zahlungsausfall feststeht, bekommt der Rechnungssteller den zu viel gezahlten Umsatzsteueranteil erstattet.

Die Folge: Fallen Rechnungsstellung und Bezahlung in verschiedene Voranmeldezeiträume, finanziert der Rechnungssteller den Umsatzsteueranteil vor. Im schlimmsten Fall müssen Umsatzsteuer-Anteile aus unbezahlten Rechnungen monatelang vorgestreckt werden. Daher stellen unbezahlte Ausgangsrechnungen ein gefährliches Liquiditätsrisiko dar.

Standardverfahren: Soll-Versteuerung

Die Versteuerung nach vereinbarten Entgelten ist das Standardverfahren bei der Ermittlung der Umsatzsteuer-Zahllast. Mit anderen Worten: Die Soll-Versteuerung gilt grundsätzlich für alle umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen.

Selbstständige und Unternehmer können aber jederzeit die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten beantragen. Vorausgesetzt, sie erfüllen die dafür erforderlichen Bedingungen:

Voraussetzungen der Ist-Versteuerung 

Die vorteilhafte Ist-Versteuerung kann von folgenden Selbstständigen und Unternehmen in Anspruch genommen werden:

  • Freiberufler und vergleichbare Selbstständige dürfen die Umsatzsteuer laut § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG auf jeden Fall nach vereinnahmten Entgelten berechnen. Wie hoch die Umsatzerlöse aus selbstständigen Tätigkeiten sind, spielt dafür keine Rolle!
  • Gewerbetreibende können die Ist-Versteuerung hingegen nur beantragen…
    • wenn ihr Jahresumsatz nicht höher als 500.000 Euro ist oder
    • wenn sie gemäß § 148 Abgabenordnung von den kaufmännischen Buchführungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten befreit sind.

Für alle anderen Unternehmen ist die Soll-Versteuerung zunächst einmal das Standard-Berechnungsverfahren! Wer ein Kleingewerbe oder eine freiberufliche Tätigkeit ausübt, kann jedoch bereits beim Anmelden der Geschäftstätigkeit die Ist-Versteuerung beantragen. Der Fragebogen zur steuerlichen Erfassung fragt auf Seite 7 die „Soll-/Istversteuerung der Entgelte“ ab.

Ist-Versteuerung: Günstiger und einfacher 

Die Ist-Versteuerung ist das in jeder Hinsicht günstigere Berechnungsverfahren. Denn die Umsatzsteuer muss erst abgeführt werden, wenn der Kunde tatsächlich bezahlt hat. Dadurch sinkt das Liquiditäts-Risiko.

Außerdem ist die Buchführung viel einfacher. Anders als bei der Soll-Versteuerung müssen die Unternehmen nicht ständig den Überblick behalten über die …

  • in Rechnung gestellten Lieferungen und Leistungen,
  • bereits gemeldeten und abgeführten Umsatzsteueranteile sowie
  • die von Kunden tatsächlich bezahlten Rechnungen und Umsatzsteueranteile.

Außerdem sind keine Korrektur-Buchungen erforderlich, wenn sich die ursprünglichen Buchungen und Umsatzsteuervoranmeldungen ändern. Zum Beispiel weil Skonto vereinbart wurde oder es zu Forderungsausfällen kommt.

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