15 Min
Eine junge Frau mit dunklen, lockigen Haaren ist in eine beige Strickdecke gehüllt und hält ein Taschentuch an ihre Nase, während sie niest oder sich die Nase putzt. Sie trägt eine goldene Armbanduhr. Der Hintergrund ist hellblau mit einem großen Schneeflocken-Symbol und einem stilisierten rutschenden Menschen-Symbol.

Arbeitsrecht im Winter

Was gilt fürs Heizen, bei Erkältungen, bei Verspätungen und für die Räumpflicht?

Das sagt das Arbeitsrecht zu typischen Winterthemen: zur Temperatur am Arbeitsplatz, zum Zuspätkommen aufgrund der Witterung, zur Räumpflicht auf dem Betriebsgelände und zu Krankmeldungen aus Angst vor Ansteckung.

Der Arbeitgeber im Winter

Kälte, Dunkelheit, oft auch Schnee oder Eis: Der Winter macht es den Menschen nicht einfach. Auch Arbeitgeber stellt er vor besondere Herausforderungen. In der kalten Jahreszeit werden ausreichende Temperaturen am Arbeitsplatz zum Thema. Es drohen Verzögerungen und Unfallrisiken durch Schnee und Eis sowie Erkältungswellen im Betrieb.

Wie immer in Arbeitsrechtsfragen geht es nie allein um juristische Gesichtspunkte. Das Finden einer gemeinsamen Thermostatstellung der Heizung, obwohl das Kälteempfinden in der Belegschaft auseinandergeht, ist vor allem eine Führungsaufgabe. Aber auch bei solchen Fragen sind die geltenden Vorschriften entscheidend.

Wie warm muss es am Arbeitsplatz sein?

Für winterliche Außentemperaturen ist der Arbeitgeber nicht verantwortlich. Aber welche Umgebungstemperatur muss er an Arbeitsplätzen im Innenbereich gewährleisten? Die Arbeitsstättenverordnung gibt ihm die Verantwortung dafür, dass „Gefährdungen für die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten möglichst vermieden“ werden (§ 3a ArbStättV).

Genauere Vorgaben zu einzelnen Aspekten wie Raumtemperatur, Lüftung oder der Verkehrswege-Sicherheit machen die vom Bundesarbeitsministerium veröffentlichten „Technischen Regeln für Arbeitsstätten“ (ASR). Sie verlangen eine „gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur“, soweit die betrieblichen Umstände es ermöglichen (also mit Ausnahmen etwa von Kühlräumen).

Je nach körperlicher Bewegung und Schwere der Arbeit gelten unterschiedliche Mindesttemperaturen für Arbeitsräume (ASR Raumtemperatur, Fußböden und Lüftung):

  • 20 Grad Celsius bei leichter Arbeit im Sitzen, also typischer Schreibtischarbeit
  • 19 Grad bei mittlerer Arbeitsschwere im Sitzen
  • Gehören Stehen und Gehen zur Tätigkeit, sind es 19 Grad bei leichter, 17 Grad bei mittlerer und 12 Grad bei schwerer Arbeit.
  • In Pausen- und Bereitschaftsräumen, Sanitärräumen sowie Kantinen ist eine Mindesttemperatur von 21 Grad Celsius vorgegeben. Bei Waschräumen mit Duschen sind es 24 Grad Celsius.
  • Die Temperatur der Fußböden soll maximal 3 Grad Celsius unter der Lufttemperatur liegen. Außerdem müssen sie gegen aufsteigende Feuchtigkeit geschützt sein.
  • Für Räume ohne Belüftungstechnik empfehlen die ASR regelmäßige Stoßlüftung. In Büroräumen soll sie nach jeweils einer Stunde erfolgen und im Winter maximal drei Minuten dauern. Bei „freier Lüftung“ soll Zugluft nach Möglichkeit vermieden werden.

Diese Vorgaben sind für Arbeitgeber nicht verpflichtend. Bei Unfall- oder Gesundheitsschäden sollten sie aber nachweisen können, dass sie für ein entsprechendes Sicherheits- und Schutzniveau gesorgt haben.

Abwesenheitsverwaltung? Mit WISO MeinBüro Personal Abwesenheiten digital einsehen und flexibel bearbeiten!

Dauerstreit um den Thermostat?

Die Konflikte um die optimale Raumtemperatur im Büro werden durch die unterschiedliche individuelle Wahrnehmung verschärft. So liegt nach einer Studie die Wohlfühltemperatur von Frauen im Durchschnitt bei 25 Grad Celsius, die von Männern bei 22 Grad. Anscheinend erreichen die Geschlechter auch ihre optimale geistige Leistung bei unterschiedlicher Umgebungstemperatur. Das fanden Forscher heraus, nachdem Probandinnen und Probanden bei Raumtemperaturen zwischen 16 und 33 Grad Celsius kognitive Tests absolvierten.

Ob die Heizung im Büro nun direkt am Heizkörper oder zentral und automatisch geregelt wird: Die Frage nach der optimalen Temperatur lässt sich wohl nur ganz konkret für den eigenen Betrieb entscheiden, abhängig von der individuellen Kälteempfindlichkeit der Belegschaft. Im Zweifel sind Arbeitgeber auf der sicheren Seite, wenn sie sich an die Vorgaben der ASR halten.

Der Arbeit fernbleiben, weil die Büroheizung ausfällt?

Selbst wenn es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Büro zu kalt ist, können sie nicht einfach zu Hause bleiben. Zu einer Ausnahme von dieser Regel kann es kommen, wenn dort dauerhaft gesundheitsgefährdend niedrige Temperaturen herrschen.

Ein Beispiel wäre ein Arbeitnehmer mit Lungenvorerkrankung bei einem längeren Heizungsausfall während einer Phase sibirischer Kälte. Stellt eine Bronchitis für ihn ein besonderes Risiko dar, darf er unter Umständen die Arbeit verweigern oder vielmehr „zurückbehalten“, bis zumutbare Temperaturen herrschen. Rechtsgrundlage wäre das „Zurückbehaltungsrecht“ nach § 273 BGB. Alternativ kann er eine Gefahrenbeurteilung fordern.

Selbstverständlich sollte er nicht nach eigenem Gutdünken entscheiden. Das Risiko muss im Zweifel aus ärztlicher Sicht bestätigt werden. Entscheidend sind die individuellen Umstände. Ob der Arbeitgeber mit einer Abmahnung oder Kündigung auf das Fernbleiben wegen Heizungsausfalls reagieren durfte, wird ein Arbeitsgericht stets nach Lage des Einzelfalls entscheiden.

Wenn Arbeitnehmer wegen Schneeglätte oder Busverspätungen zu spät kommen

Schnee und Eis sorgen fast jeden Winter für Verkehrsprobleme. Staus oder Unfälle wegen Straßenglätte halten den Verkehrsfluss auf. Öffentliche Verkehrsmittel kämpfen mit Verspätungen und Ausfällen. Selbst zu Fuß kommt man bei Eis und Schnee langsamer voran. Im schlimmsten Fall geht bei einem plötzlichen Wintereinbruch gar nichts mehr. Was sagt das Arbeitsrecht dazu, wenn Beschäftigte aufgrund solcher Schwierigkeiten zu spät oder gar nicht am Arbeitsplatz erscheinen?

Das Wegerisiko tragen die Beschäftigten grundsätzlich selbst. Sie haben sicherzustellen, dass sie rechtzeitig zur Arbeit kommen. Die Folgen von Wetter und Jahreszeit sollten sie dabei einkalkulieren. Ist im Winter mit Schnee- oder Eisglätte zu rechnen, müssen Arbeitnehmer entsprechend früher starten. Kommen sie trotzdem zu spät, verlieren sie den Anspruch auf Entlohnung für die versäumte Arbeitszeit.

Im Prinzip kann der Arbeitgeber sogar mit Sanktionen wie einer Abmahnung reagieren. Sie muss allerdings angesichts der Umstände angemessen sein. Das kann zum Beispiel bei wiederholtem Zuspätkommen wegen des Winterwetters der Fall sein. Häufen sich solche Fälle, lässt sich möglicherweise nach der Abmahnung auch eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.

Die Räum- und Streupflicht betrifft auch das Betriebsgelände

Unternehmen müssen genau wie private Grundstücksbesitzer bei Schnee und Eis die Gehwege gangbar halten. Als Arbeitgeber stehen sie auch auf dem Betriebsgelände in der Pflicht. Das Risiko von Schadenersatzforderungen nach Sturzverletzungen wegen Eisglätte hängt vom genauen Ort des Unfalls ab. Die Rechtslage ist für das Betriebsgelände und für die angrenzenden Gehwege unterschiedlich.

  • Außerhalb des Betriebsgeländes greift die Verkehrssicherungspflicht des Arbeitgebers. In der Regel haben Grundstückseigentümer öffentliche Gehwege, die an ihrer Immobilie entlangführen, von Schnee freizuräumen. Bei Glätte müssen sie dort streuen. Diese Verkehrssicherungspflicht gilt auch für Gewerbeimmobilien. Manchmal wird die Räumpflicht auf Mieter und Gewerbemieter übertragen. Es lohnt sich also, den Gewerbemietvertrag daraufhin zu überprüfen.
    Ein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht kann Schadenersatzansprüche begründen. Beschäftigte oder Kunden, die auf dem spiegelglatten Gehweg vor den Geschäftsräumen stürzen und sich verletzen, können das Unternehmen in Haftung nehmen. Eine solche Entscheidung traf beispielsweise das Oberlandesgericht Koblenz (OLG Koblenz, 29.04.2015 – 5 U 1479/14).
    Die Haftung gilt auch dann, wenn der Betrieb einen Winterdienst beauftragt und dieser das Räumen und Streuen versäumt. In diesem Fall muss der Auftraggeber selbst zu Schneeschaufel und Streugut greifen. So hat es das Landgericht Köln im letzten Winter entschieden (LG Köln, 18.12.2023 – 15 O 169/23).
  • Eine Obhuts- und Sicherungspflicht haben Unternehmen auch auf dem Betriebsgelände, wenn dort Arbeitnehmer, Besucher oder Kunden unterwegs sind. Sie müssen also zum Beispiel die Wege vom Tor bis zum Eingang vom Schnee freihalten und dort streuen, ebenso auf dem Firmenparkplatz. Wird eine Fläche oder ein Weg nicht geräumt und gestreut, muss deutlich darauf hingewiesen werden.
    Allerdings ist die Haftung anders geregelt. Bei Glatteisunfällen von Beschäftigten auf dem Betriebsgelände während der Arbeitszeit haftet der Arbeitgeber nur, wenn er – wenig wahrscheinlich – den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Ansonsten wird das Unternehmen vom Haftungsprivileg gemäß 104 und § 105 SGB VII geschützt, das auch für andere Arbeitsunfälle gilt. In diesem Fall ist die Berufsgenossenschaft für die Übernahme der Behandlungskosten und anderer Schäden zuständig. Das ergibt sich aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, 28.11.2019 – 8 AZR 35/19). Für Kunden und geschäftliche Besucher gilt diese Sonderregelung allerdings nicht!

Erkältungswelle – lieber zu Hause bleiben?

Der Winter ist auch die Zeit der Grippewellen oder Atemwegsinfekte. Wird ein Unternehmen besonders stark von Viren oder Bakterien heimgesucht, kann es passieren, dass Beschäftigte aus Angst vor Ansteckung gar nicht erst zur Arbeit kommen. Andere bleiben schon bei sehr milden Symptomen zu Hause, um keine Kollegen anzustecken. Beides ist von den Regeln für Krankmeldungen nicht gedeckt.

  • Aufgrund von Infektionsgefahr daheimbleiben dürfen Arbeitnehmer nur, wenn die Gesundheitsbehörden ein vorübergehendes Tätigkeitsverbot erlassen oder den Zugang zum Betrieb gesperrt haben, oder wenn allgemeine Schließungsmaßnahmen wie während der Corona-Pandemie angeordnet wurden. Selbst entscheiden können Mitarbeiter dies nicht.

Grundsätzlich gilt: Nur wer arbeitsunfähig ist, darf der Arbeit fernbleiben. Dafür kann die Infektionsgefahr für Dritte zwar ein Aspekt sein, etwa bei einer Pflegerin in einem Heim mit alten, gesundheitlich angegriffenen Menschen. Diese Infektionsgefahr werden Mitarbeiter aber kaum selbst beurteilen können. Dies ist Sache eines Arztes.
Dass ein Arzt die Arbeitsunfähigkeit feststellt, ist spätestens nach drei Tagen Pflicht. Im Arbeitsvertrag kann die ärztliche Krankschreibung auch schon ab dem ersten Krankheitstag festgelegt werden. Arbeitnehmer mit Erkältungskrankheiten können sich in einer Arztpraxis, in der die persönlich bekannt sind, für bis zu fünf Tage telefonisch krankschreiben lassen.

Artikel zu ähnlichen Themen